KURIOSES

von Rechtsanwalt Filip Tomic


Wahrsagerin als verdeckte Ermittlerin – ist dies zulässig?


Das Bundesgericht hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob in einem Mordprozess eine „Wahrsagerin“ als verdeckte Ermittlerin eingesetzt werden durfte. Sofern schwere Straftaten zur Diskussion stehen, greifen die Strafbehörden zur verdeckten Ermittlung, wenn andere Untersuchungen keinen Erfolg versprechen. Vorliegend ging es um die mutmassliche Ermordung der Ehefrau durch den beschuldigten Ehemann.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine „Wahrsagerin“ rechtmässig eingesetzt wird, um den Beschuldigten überführen zu können. Konkret wurde der Beschuldigte aber über einen anderen verdeckten Ermittler dazu aufgefordert, sich bei der sich als Wahrsagerin ausgebenden verdeckten Ermittlerin zu melden, da den Strafbehörden bekannt war, dass der Beschuldigte sich vor übersinnlichen Mächten fürchtete und dieser bereits in der Vergangenheit Kontakt zu anderen Wahrsagern gesucht hat. Der Beschuldigte ging somit nicht aus eigenem Antrieb zur verdeckten Ermittlerin.

Während der Sitzung bei der „Wahrsagerin“ hat diese die Existenz eines bösen Geistes des Opfers, der negativen Einfluss auf das Leben des Beschuldigten nimmt, heraufbeschworen. Dabei ist den Ermittlern bewusst gewesen, dass der Beschuldigte aufgrund des Strafverfahrens bereits unter enormem Druck gestanden und in Sorge um die Sicherheit seiner Kinder gewesen ist. Die „Wahrsagerin“ hat auch vorgegeben zu sehen, wie das Opfer umgekommen ist. Nach mehreren gezielten Fragen sowie eigens herbeigeführten „übersinnlichen Zeichen“ räumte der Beschuldigte schliess-lich die Tat ein. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass das Geständnis nicht als spontan und frei erfolgte Willensäusserung angesehen werden könne.

Die Aussage des Beschuldigten konnte somit von der Strafbehörden nicht gegen ihn verwendet werden, da er weder aus eigener Initiative zur „Wahrsagerin“ ging noch das Geständnis frei von Druck und Täuschung erfolgte.