RECHTLICHES

von Rechtsanwältin Andrea Gloor


Bestrafung des Fahrzeughalters für das Verhalten des unbekannten Fahrers?


Mit der Via sicura wurde im Jahr 2014 eine neue Bestimmung ins Ordnungsbussengesetz (Art. 6 Ordnungsbussengesetz) aufgenommen, gemäss welcher der Fahrzeughalter für das Verhalten eines unbekannten Fahrers zur Rechenschaft gezogen werden kann. Dem Fahrzeughalter wird die Busse auferlegt, sollte dieser nicht den Namen und die Adresse des Fahrzeugführers, der zum Zeitpunkt der Widerhandlung das Fahrzeug geführt hat, nennen. Trotz Schuldprinzip, Unschuldsvermutung und dem Grundsatz, dass sich niemand selbst belasten muss, ist sich die Rechtsprechung einig, dass die strafrechtliche Haftung des Halters für den unbekannten Lenker im Rahmen von Ordnungsbussen zulässig ist.

Das Bundesgericht hat sich in einem Entscheid damit auseinandergesetzt, ob diese Regelung auch Anwendung findet, wenn es sich beim Halter um eine juristische und nicht natürliche Person handelt. In Art. 102 Strafgesetzbuch ist vorgesehen, dass ein Unternehmen mit Busse bestraft wird, wenn in Ausübung geschäftlicher Verrichtung ein Verbrechen oder Vergehen begangen wird und dieses wegen mangelhafter Organisation keiner Person zugerechnet werden kann. Für Übertretungen können Unternehmen jedoch nur bestraft werden, wenn das in einem anderen Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Im erwähnten Entscheid kam das Bundesgericht mit 3 zu 2 Stimmen zum Schluss, dass eine solche ausdrückliche Norm weder im Ordnungsbussengesetz noch im Strassenverkehrsgesetz zu finden sei.. Insbesondere da Art. 6 OBG nicht ausdrücklich auf eine Haftung von Unternehmen als Fahrzeughalter verweise, dürfe die Bestimmung bei Unternehmen mangels ausreichend bestimmter gesetzlicher Grundlage nicht angewendet und dem Unternehmen keine Busse auferlegt werden, wenn der Fahrzeugfahrer nicht bekannt ist..

Damit können juristische Personen für das Fehlverhalten eines unbekannten Lenkers erst dann gebüsst werden, wenn der Gesetzgeber tätig wird und eine klare rechtliche Grundlage schafft.

Für Unternehmen ist es demnach vorteilhaft, wenn sie die Gesellschaft als Fahrzeughalter eintragen lassen.