RECHTLICHES

von Rechtsanwalt Patrick Burkhard


Wie ein (angeblicher) russischer Staatsdoping-Fall die Mängel in der Sportschiedsgerichtsbarkeit aufzeigt


Als vor einigen Jahren bekannt wurde, dass in Russland über längere Zeit ein staatliches Doping-System bestand, wurden diverse Dopingverfahren gegen russische Athleten eröffnet und alte Verfahren neu aufgerollt. So auch im Fall der russischen Triathletin A: Im Jahr 2017 nahm der Triathlon Weltverband „World Triathlon“ (WT) ein Verfahren gegen A auf, aufgrund dreier Dopingproben aus dem Jahr 2014 und 2015, welche angeblich positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin gewesen sein sollen. Kurz darauf stellte WT das ergebnislose Verfahren wieder ein. Im Jahr 2021 (als neue Beweismittel vorlagen) wurde das Verfahren dann ein weiteres Mal neu aufgerollt, der Doping-Verdacht erhärtete sich und A wurde mit einer Dopingsperre bzw. einem Berufsverbot von vier Jahren belegt.

Die Sanktionierung erfolgte nicht aufgrund von authentischen bzw. originären Beweismitteln, sondern aufgrund von Experten-Berichten, E-Mail-Korrespondenzen zwischen dem Moskauer Labor und eines russischen Behördenmitglieds sowie aufgrund von Kopien der damaligen Daten aus dem Moskauer Labor, welche in die Hände der Anti-Doping-Behörden gelangt waren. Dieses Daten sollen hinreichend überzeugend – beim Doping-Nachweis wird jeweils lediglich eine sog. „comfortable satisfaction“ als Beweismass verlangt, d.h. kein sicherer Beweis – gezeigt haben, dass das Moskauer Labor, welches die Analyse der drei angeblich positiven Proben von A durchführte, diese Proben auf Anweisung einer russischen Staatsperson als negativ gemeldet und im Anschluss daran vernichtet hat. Die Anti-Doping Division des Internationalen Sportschiedsgericht in Lausanne (CAS) und die Berufungsinstanz des CAS bestätigten die vierjährige Sperre.

Für A stellte sich somit eine beinahe unlösbare Aufgabe: Sie musste ohne Vorhandensein ihrer Dopingproben (diese wurden ja zerstört) ihre Unschuld beweisen, und dies über sieben Jahre nach der Probenahme und nachdem ihr bereits zweimal mitgeteilt wurde, dass ihre Proben negativ seien (das erste Mal nach der Analyse durch das Moskauer Labor, das zweite Mal als das Verfahren von WT eingestellt wurde). A hatte keine Chance. Dennoch sah das Bundesgericht keine Verletzung ihres Rechts auf Beweis. Das Fehlen der Proben könne nicht der Vorinstanz vorgeworfen werden und A hätte ja „die Umstände und Zusammenhänge hinsichtlich des Umgangs des Moskauer Labors mit den fraglichen Urinproben“ beweisen können (BGer 4A_488/2023, Urteil vom 23. Januar 2024).

Problematisch ist denn auch, dass ein Schiedsentscheid des CAS vor dem Bundesgericht inhaltlich fast gar nicht überprüft werden kann. Gerügt werden können hauptsächlich Verfahrensfehler und Verletzungen des „Ordre public“. Hingegen können Menschenrechtsverletzungen nicht geltend gemacht werden. Im Fall der südafrikanischen Läuferin Caster Semenya stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass diese eingeschränkte Kognition des Bundesgerichts dazu führt, dass Athleten kein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung steht, um eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu rügen. Diese Tatsache alleine stellt eine EMRK-Verletzung. Das Bundesgericht ging auf dieses Argument von A, welche auch eine EMRK-Verletzung rügte (Recht auf ein faires Verfahren) nicht ein, mit dem Hinweis, das Semenya-Urteil des EGMR sei noch nicht rechtskräftig. Ob diese Begründung einem höchstrichterlichen Urteil gerecht wird, kann jeder selber entscheiden…