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von Special Counsel Benjamin Fitzmaurice


Urheberrecht: KI, Intelligenz oder Diebstahl?


Provokativ könnte man an dieser Stelle die Verwendung des Wortes „Intelligenz“ in der Abkürzung „KI“ in Frage stellen. Auf den ersten Blick handelt es sich um ein sehr ausgeklügeltes Programm, das Daten ausliest und sie für die Veröffentlichung neu verpackt. Dieses Scraping stellt ein Problem im Hinblick auf das Urheberrecht dar und wie wir die Legitimität von Originalen und abgeleiteten Werken sehen.

Diese Ansicht vertreten verschiedene Autoren in einer kürzlich beim Bundesgericht in New York eingereichten Klage bei welcher „eklatante Verstösse gegen das eingetragene Urheberrecht des Klägers“ in Form eines „systematischen Diebstahls im grossen Stil“ behauptet werden.

Die von OpenAI und anderen KI-Akteuren vorgebrachte Behauptung wirft die Frage auf, ob die produzierten KI-Inhalte als Original im Sinne des Urheberrechts angesehen werden können und ob das reproduzierte Werk unter die „faire Nutzung“ oder legitime abgeleitete Werke fällt. Wenn das KI- Programm so konzipiert ist, dass es Material aus anderen urheberrechtlich geschützten Materialien ausschöpft, lautet die entscheidende Frage, ob die reproduzierte Zusammenstellung wieder ein „Original“ ist, wie es das Vereinigte Königreich, die Schweiz (Bundesgesetz über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte), Australien und andere Länder verlangen.

In der Schweiz und in Australien muss diese Frage jedoch nicht gestellt werden, da nur das Urheberrecht an Originalwerken menschlicher Schöpfung besteht. In den USA hat die Bezirksrichterin Beryl A. Howell ebenfalls vor kurzem festgestellt, dass das US Copyright Office zu Recht den Urheberrechtsschutz für literarische Inhalte verweigert hat, die vollständig ohne menschliche Beteiligung entstanden sind. Es stellt sich also die Frage, wie viel menschliche Beteiligung erforderlich ist, um als Urheber eines urheberrechtlich geschützten Werks zu gelten. Wir sehen dieses Problem auch in der Musikindustrie, wo KI-Tools oft zur kreativen Unterstützung eingesetzt werden. Der menschliche Urheber nutzt seine kreative Ausdrucksfähigkeit, um ein originelles Werk zu schaffen. Auch dies ist ein weiterer Bereich der Debatte und weiterer Argumente.

In der Rechtssache Infopaq International A/S gegen Danske Dagblades Forening (Rechtssache C-5/08) stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass das Werk die eigene geistige Schöpfung des Urhebers widerspiegeln muss, um urheberrechtlichen Schutz zu geniessen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, den tatsächlichen Beitrag eines Menschen zum beanspruchten Werk zu bewerten.

Klar ist, dass die Prüfung der Frage, was ein urheberrechtsfähiges Werk in Bezug auf KI-generiertes Material ist, schwierig sein wird, wenn wir uns mit dem Vormarsch der Technologie auseinandersetzen. In einem Brief von Max Tegmark vom Future of Life Institute vom März 2023 wird auf die existenziellen Fragen hingewiesen: Sollen wir nichtmenschliche Intelligenzen entwickeln, die uns irgendwann zahlenmässig überlegen sein werden, uns überlisten oder überflüssig machen und ersetzen könnten? Sollten wir den Verlust der Kontrolle über unsere Zivilisation riskieren? Diese Frage ist zwar nicht direkt relevant für die Frage, ob etwas ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist, aber sie wird Richter und Gesetzgeber beschäftigen, während sich dieses Thema weiterentwickelt.