RECHTLICHES

von Rechtsanwalt Filip Tomic


Teilnahmerecht beim Verfahren vor der Polizei – darf der Verteidiger überall dabei sein?


Für Beweiserhebungen durch die Staatsanwaltschaft oder das Gericht ist längst klar, dass der Beschuldigte und dessen Verteidiger das Recht haben, daran teilzunehmen.

Für Einvernahmen bei der Polizei hält das Gesetz in unpräziser Weise fest, dass die beschuldigte Person das Recht hat, dass ihr Verteidiger daran teilnehmen kann. Damit ist nicht gesagt, ob damit nur die Einvernahme des eigenen Mandanten gemeint ist oder auch die Befragung weiterer Personen, wie Auskunftspersonen, Zeugen und Opfer, darunterfallen sollen. Auskunftspersonen sind meistens Personen, deren Beteiligung an der vorgeworfenen Tat aufgrund des bis zu diesem Zeitpunkt bekannten Sachverhalts unklar ist.

Das Bundesgericht hat in früheren Entscheiden dafürgehalten, dass der Verteidiger zumindest auch bei polizeilichen Befragungen von Auskunftspersonen anwesend sein und Fragen stellen darf.

Diese Auslegung des Bundesgerichts führte selbstverständlich dazu, dass dieses Recht von Verteidigern geltend gemacht wurde. Da die Strafbehörden im Kanton Bern dieses vorgebrachte Recht jedoch nicht gewährten, landete die Frage wieder beim Bundesgericht. Dieses kommt unter Verweis auf den Willen des Gesetzgebers neu zum Schluss, dass der Verteidiger lediglich an der Einvernahme des eigenen Mandanten teilnehmen darf.

Solange das Verfahren noch von der Polizei geführt wird, ist es deshalb wichtig, zumindest auf dem Recht der Teilnahme des eigenen Verteidigers zu beharren und nicht darauf zu verzichten, weil man davon ausgeht, so wird sich die Sache schneller erledigen. Ausserdem ist es unabhängig von der Präsenz der eigenen Verteidigung bei Befragungen durch die Polizei für die beschuldigte Person grundsätzlich immer ratsam, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch zu machen. Zu diesem Zeitpunkt weiss man meistens noch nicht, was sonst noch alles in den Akten steht, was einem später vorgeworfen werden kann.