RECHTLICHES

von MLaw Katharina Mojzisek


Wer kann schon Überstunden beweisen


Grundsätzlich gilt auch im Arbeitsrecht der Grundsatz von Art. 8 ZGBdass eine Tatsache von jener Partei bewiesen werden muss, die daraus Rechte ableitet, sofern kein Gesetz etwas Abweichendes bestimmt. Im Falle von Überstunden heisst das, dass diese von den Arbeitnehmenden bewiesen werden müssen. Die einzigen Beweismittel für Überstunden sind aber oft eigene und daher einseitige Aufzeichnungen der Arbeitnehmenden. Es überrascht daher nicht, dass Überstunden regelmässig Gegenstand arbeitsrechtlicher Streitigkeiten sind.

In einem kürzlich gefällten Urteil des Bundesgerichts, stellte dieses klar, wann eine gerichtliche Schätzung nach Art. 42 Abs. 2 OR für Überstunden basierend auf solchen eigenen Aufzeichnungen vorgenommen werden darf (BGer 4A_254/2021 vom 21. Dezember 2021). Die Grundregel bleibt zunächst, dass Arbeitnehmende die Leistung der Überstunden beweisen müssen. Konkret bedeutet dies, dass bewiesen werden muss, dass auf Anweisung oder zumindest im Interesse des Arbeitsgebers mehr Zeit aufgewendet wurde, als vertraglich vereinbart oder üblich war. Nur wenn es sehr schwierig oder unmöglich ist, diesen strengen Beweis für die Überstunden und den daraus resultierenden Anspruch zu erbringen, darf das Gericht in analoger Anwendung der haftpflichtrechtlichen Bestimmung von Art. 42 Abs. 2 OR diesen nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des gewöhnlichen Laufs der Dinge und der durch Arbeitnehmer getroffene Massnahmen, schätzen (BGer 4A_254/2021 vom 21. Dezember 2021, E. 4.2).

Das Bundesgericht erkennt also auch, dass Überstunden regelmässig nicht mit absoluter Sicherheit nachgewiesen werden können, ausser die Arbeitszeit wird mittels Stempeluhr erfasst. Da eigene Aufzeichnungen der Arbeitnehmenden in der Regel nicht vom Arbeitgeber gegengezeichnet sind, haben diese keinen hohen Beweiswert. Sie gelten als reine Parteibehauptungen. In diesem Fall darf das Gericht aber von der strengen Beweisregel abweichen und als Beweis für den Umfang der Überstunden auf Parteibehauptungen – also z.B. Aussagen und eigene Aufzeichnungen – von Arbeitnehmenden abstützen, weil die Voraussetzungen für Art. 42 Abs. 2 OR erfüllt sind (BGer 4A_254/2021 vom 21. Dezember 2021, E. 4.3). Wichtig ist aber noch anzumerken, dass Arbeitnehmende auf der anderen Seite, gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung auch, alles, was sie diesbezüglich haben, vorlegen müssen (BGer 4A_482/2017 vom 17. Juli 2018, E. 2.1). Es kann sich also durchaus lohnen, die eigene Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten zu führen, auch wenn die Arbeitgeberin diese nicht bestätigt.