KURIOSES

von Rechtsanwalt Thomas Wehrli


Die Krux mit der Rechtsschutzversicherung


Versicherungen dienen dazu, die monetären Auswirkungen eines Schadens aufzufangen. Um Schäden aus Rechtsfällen zu decken, gibt es die Rechtsschutzversicherungen. Diese decken sowohl Gerichts- wie auch Anwaltskosten. Leider haben Versicherungen ein diametral anderes Interesse als die versicherte Person: Wer hat nicht schon die Erfahrung gemacht, dass sich die Versicherung hinter ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen versteckt und sich um ihre Leistungspflicht zu drücken versucht? Eine der bekannten “Taktiken” der Rechtsschutzversicherungen besteht darin, Kostengutsprachen für Anwälte nur bis zu einem bestimmten Stundensatz zu gewähren. Dieser Stundensatz, wie könnte es anders sein, unterschreitet die Stundensätze vieler in Zürich tätigen Anwältinnen und Anwälte. Praktisch alle Versicherte nehmen dies einfach hin und bezahlen die Differenz zum Honorar des Anwalts selbst.

Doch ist dieses Vorgehen der Rechtsschutzversicherungen überhaupt zulässig? Dies konnten wir kürzlich in einem Fall gegen die Orion Rechtsschutzversicherung überprüfen. Rechtsschutzversicherungen sind gesetzlich verpflichtet, den Versicherten das Recht zugestehen, die Verteidigung ihrer Interessen, einem unabhängigen Rechtsanwalt oder einer unabhängigen Rechtsanwältin ihrer Wahl zu überlassen (Art. 32 Abs. 1 lit. b VAGArt. 167 Abs. 1 AVO). Logischerweise ist die Möglichkeit einer solchen freie Anwaltswahl nicht mehr gegeben, wenn die Rechtsschutzversicherung willkürlich einen “gedeckten” Stundensatz festlegt. Nur weil die Gesetzwidrigkeit dann offensichtlich wäre und sich alle Versicherten wehren würden, wird von den Versicherungen jeweils ein Honorar von ca. CHF 280 pro Stunde – und nicht nur von CHF 1 pro Stunde – gedeckt. Entsprechende Regelungen zu den willkürlich festgelegten Stundensätzen fehlen (logischerweise) in allen Versicherungsverträgen.

Dass diese Praxis gesetzeswidrig ist, hat auch die Orion erkannt: In einem kürzlich von uns aufgrund der ungerechtfertigten Kürzung des Stundensatzes eingeleiteten Verfahrens hat die Orion die Rechtswidrigkeit ihres Handelns erkannt und umgehend nach Klageeinleitung eine Kostengutsprache über das gesamte Stundenhonorar erteilt. Das eingeleitete Verfahren wurde dadurch abgeschrieben und der Orion wurden die Verfahrenskosten vollständig auferlegt. Es lohnt sich, nicht jede Entscheidung der Rechtsschutzversicherung zu akzeptieren.