AKTUELLES

von Rechtsanwalt Thomas Wehrli


Verwaltungsratsmandat läuft nicht automatisch weiter


Bisher war umstritten, ob die Amtsdauer der Verwaltungsratsmitglieder sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres endet oder ob sich deren Amtszeit stillschweigend verlängert, wenn anlässlich der ordentlichen Generalversammlung keine Wahlen stattfinden oder gar keine Generalversammlung durchgeführt wird. 

Mit dem Urteil 4A_496/2021 vom 3. Dezember 2021 entschied das Bundesgericht nun diese Frage.

Die Generalversammlung wählt den Verwaltungsrat und die Revisionsstelle (Art. 698 Abs. 2 Ziff. 2 OR). Dieses Wahlrecht ist weder übertragbar noch entziehbar. Ohne anderslautende Regelung in den Statuten werden die Verwaltungsräte für eine Amtsdauer von drei Jahren gewählt. Die ordentliche Generalversammlung findet alljährlich innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt (Art. 699 Abs. 2 OR). Das Bundesgericht vertritt aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmungen die Ansicht, dass die Generalversammlung ihr Wahlrecht (nur) durch explizite Willenskundgebung wahrnehmen kann, und somit eine Fortsetzung des Verwaltungsratsmandats nur bei positiver Willensäusserung greift. Andernfalls bestünde die Möglichkeit, dass die Aktionäre ihr Wahlrecht nicht ausüben können, wenn der Verwaltungsrat sich weigert, überhaupt eine Generalversammlung einzuberufen bzw. müssten die Aktionäre ein Gerichtsverfahren anstrengen, sofern sie die hierfür erforderliche Beteiligung aufweisen.

Die Gründe, welche für eine stillschweigende Fortführung des Verwaltungsratsmandats vorgebracht wurden, erachtete das Bundesgericht nicht als stichhaltig. Den guten Glauben von Dritten in den Handelsregistereintrag sieht das Bundesgericht nicht gefährdet, da Dritte grundsätzlich immer auch auf den Handelsregistereintrag vertrauen dürfen. Die Verwaltungsräte können somit die Gesellschaft auch nach deren Amtszeit gegenüber gutgläubigen Dritten zu verpflichten. Das Gericht sieht auch den Schutz der Gesellschaft, der Aktionäre und allfälliger Gesellschaftsgläubiger vor schädigenden Handlungen der nach Ablauf der Amtszeit nicht wiedergewählten Verwaltungsratsmitglieder gegeben, weil die Verantwortlichkeit nach Art. 754 OR auch für faktische Organe fortbestehe. Damit stellt das Gericht auch gleich klar, in welchem Rechtsverhältnis die trotz Ablauf ihrer Amtszeit nicht wiedergewählten Verwaltungsräte zur Gesellschaft stehen.

Das Bundesgericht hält zusammenfassend fest: Das Amt des Verwaltungsrates endet mit Ablauf des sechsten Monats nach Schluss des betreffenden Geschäftsjahres, wenn keine Generalversammlung nach Art. 699 Abs. 2 OR durchgeführt oder die Wahl des Verwaltungsrates nicht traktandiert wurde. Es ist daher wichtig, die Generalversammlungen fristgerecht durchzuführen und die Wahl des Verwaltungsrates zu traktandieren.