RECHTLICHES

von Rechtsanwältin Martina Widmer


Corona-Virus: Haftungsfrage bei der Absage von Veranstaltungen


Im Kampf gegen das Corona-Virus erklärte der Bundesrat unlängst den Notstand für die Schweiz. Truppen werden mobilisiert, Veranstaltungen verboten. Geschäfte und Lokale müssen schliessen, nur Lebensmittelläden und Gesundheitseinrichtungen bleiben offen.

Vom Verbot von Veranstaltungen sind vor allem Sport und Kultur betroffen. Viele Sportveranstaltungen und Konzerte wurden bis auf Weiteres verschoben oder abgesagt. Dies bedroht die Veranstalter und Vereine nicht nur in ihrer Existenz, sondern zieht auch eine Reihe rechtlicher Fragen nach sich. Der Veranstalter ist grundsätzlich für die vertragsgemässe Durchführung der Veranstaltung verantwortlich. Was passiert nun, wenn ein Veranstalter eine Veranstaltung aufgrund des Coronavirus absagen muss?

Primär stellt sich die Frage, ob die Verträge eines Veranstalters mit seinen Lieferanten oder Gästen Regelungen über die Absage oder Verschiebung von Veranstaltungen enthalten. Sofern diese Frage im Vertrag nicht ausdrücklich geregelt wurde, muss der Veranstalter prüfen, ob seine Verträge eine besondere Bestimmung für den Fall von höherer Gewalt, sog. “Force Majeure”, enthalten. Auch wenn das Schweizer Recht keine allgemeine Definition von höherer Gewalt enthält, ist das Prinzip vom Bundesgericht anerkannt. Allgemein werden Vorfälle als höhere Gewalt bezeichnet, welche ausserhalb des Einflussbereiches einer Partei liegen und auch mit äusserster Sorgfalt nicht abgewendet werden können. Viele Verträge enthalten solche “Force Majeure” Klauseln. Von der jeweiligen Formulierung im Vertrag ist abhängig, ob das Coronavirus ein Fall höherer Gewalt darstellt oder nicht. Die Mehrheit der “Force Majeure” Klauseln nennen aber weder die Epidemie noch die Pandemie ausdrücklich als Fälle höherer Gewalt, weshalb ein erheblicher Auslegungsspielraum bei offen formulierten Klauseln besteht. Je nach Branche und Vertragsverhältnis ist die Hürde zur Anwendung einer solchen Klausel unterschiedlich hoch anzulegen. Liegt ein Fall höherer Gewalt vor, sehen die vertraglichen Vereinbarungen regelmässig eine Beendigung des Vertrags oder eine Aussetzung der vertraglichen Verpflichtungen vor.

Fehlt auch eine entsprechende “Force Majeure” Klausel, so gelten die allgemeinen Bestimmungen des Schweizerischen Rechts. Muss eine Veranstaltung wegen höherer Gewalt abgesagt werden, liegt ein Fall von Unmöglichkeit vor.. Durch das behördliche Verbot kann der Veranstalter seine Leistung (das Durchführen der Veranstaltung) nicht erbringen. In diesem Fall sieht das Gesetz vor, dass der Veranstalter die bereits empfangene Leistung (z.B. die Ticketeinnahmen) zurück zu erstatten hat.

Auch die Verträge zwischen dem Veranstalter und seinen Lieferanten sind danach auszulegen, ob ein Fall höherer Gewalt vorliegt und welche Regelung der Vertrag für diesen Fall enthält. Hat der Vertragspartner seine Leistung bereits erbracht, muss der Veranstalter diese auch bezahlen. Bei noch nicht erbrachten Leistungen bestehen dagegen gute Chancen, dass diese bei höherer Gewalt vom Veranstalter storniert werden können.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Schaden grundsätzlich – je nach vertraglicher Regelung – von einer oder beiden Vertragsparteien zu tragen ist. Eine Haftung des Bundes ist gemäss dem Epidemiengesetz ausgeschlossen. Der Veranstalter kann sich also nicht an den Bund richten und Schadenersatz verlangen, da dieser die Veranstaltungen verboten hat. In der Regel bezahlt auch keine Versicherung den Schaden des Veranstalters, da Schäden aufgrund von Epidemien in der Regel vertraglich ausgeschlossen wurden. Dies muss jedoch im Einzelfall geprüft werden.