AKTUELLES

von Rechtsanwalt Thomas Wehrli


Keine Hilfs-Sheriffs mehr auf Schweizer Strassen


Dashcams (in Fahrzeugen installierte Kameras) helfen den gesetzestreuen Autofahrern, nicht ganz so gesetzestreue Autofahrer aufzuzeichnen. Auch auf YouTube sind Dashcam-Videos sehr beliebt und spektakuläre Aufnahmen von Verkehrsunfällen oder gar Schlägereien sorgen für eine schnelle Verbreitung der Videos.

Gegen eine Verurteilung aufgrund von mehrfacher, teilweiser grober Verletzungen der Verkehrsregeln, welche durch eine Dashcam aufgezeichnet wurden, hat sich eine Autofahrerin nun bis vor Bundesgericht gewehrt (Bundesgerichtsurteil 6B_1188/2018 vom 26. September 2019). Die Autofahrerin machte geltend, dass die Videoaufnahmen rechtswidrig erstellt worden seien.

Die Strafprozessordnung enthält Bestimmungen zu den verbotenen Beweiserhebungen und zur Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweise (Art. 140 f. StPO). Demnach dürfen Beweise, die Strafbehörden in strafbarer Weise (z.B. Zwangsmittel) oder unter Verletzung von Gültigkeitsvorschriften erhoben haben, nicht verwertet werden. Vom Verwertungsverbot ausgenommen sind rechtswidrig erhobene Beweise, falls sie zur Aufklärung schwerer Straftaten unerlässlich sind. Das Bundesgericht erwog nun, dass es aus Sicht der beschuldigten Person unerheblich sei, durch wen die Beweise erhoben werden. Deshalb solle auch bei von Privaten erhobenen Beweisen der gleiche Massstab angewandt werden.

Das Erstellen von Aufnahmen im öffentlichen Raum, auf welchen Personen oder Autokennzeichen erkennbar sind, stellt ein Bearbeiten von Personendaten im Sinne des Datenschutzgesetzes dar. Die Beschaffung von Personendaten und der Zweck der Bearbeitung muss für die betroffenen Personen erkennbar sein, da dies ansonsten eine Persönlichkeitsverletzung darstellt. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Erstellung von Videoaufnahmen aus einem Fahrzeug heraus nicht ohne Weiteres erkennbar sei, wobei selbst am Auto angebrachte Hinweisschilder daran nichts ändern würden, weil die Fahrzeuglenker sich dem Verkehrsgeschehen und nicht dem Lesen von Schildern widmen müssen.

Im vorliegenden Fall wurden die Videoaufnahmen somit rechtswidrig erstellt. Das Bundesgericht erwog, da es sich bei vorliegendem Delikt nicht um eine schwere Straftat (d.h. Verbrechen, Strafmass mehr als 3 Jahre Gefängnis) handle, weshalb die Aufnahmen der Dashcam nicht verwendet werden dürfen. Die Beschwerde wurde daher gutgeheissen.

Es ist nachvollziehbar, dass es bei rechtswidrig erhobenen Beweisen keinen Unterschied machen darf, ob sie durch einen Privaten oder durch die Strafverfolgungsbehörden erhoben worden sind. Da folglich für „einfache“ Delikte im Strassenverkehr in der Regel keine Dashcam-Aufnahmen verwertet werden können, werden auch keine Anreize für “private Sheriffs” gesetzt.