RECHTLICHES
von Rechtsanwältin Anna Kaiser
Kann ich nach der Kündigung noch länger in meiner Wohnung bleiben?
Wie wir bereits im März-Newsletter berichtet haben, hat eine Mieterin die Möglichkeit, eine Kündigung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde anzufechten. Doch welche Möglichkeiten hat eine als Mieterin, wenn eine Anfechtung der Kündigung aussichtslos ist? Tatsächlich steht der Mieterin eine weitere Option zur Verfügung: Sie kann innert der gleichen 30-tägigen Frist seit Empfang der Kündigung bei der Schlichtungsbehörde um Erstreckung des Mietverhältnisses ersuchen. Auf die Möglichkeit der Erstreckung wird die Mieterin – ebenso wie auf die Möglichkeit der Anfechtung – auf dem amtlichen Formular hingewiesen, welches der Vermieter für die Kündigung verwenden muss, ansonsten die Kündigung nichtig ist.
Voraussetzung für eine solche Erstreckung des Mietverhältnisses ist, dass die Beendigung der Miete für die Mieterin oder ihre Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. Die Schlichtungsbehörde nimmt also eine Abwägung zwischen den Interessen der Mieterschaft und der Vermieterschaft vor. Bei dieser Interessenabwägung berücksichtigt die Schlichtungsbehörde insbesondere folgende Aspekte: die Umstände des Vertragsabschlusses und den Inhalt des Vertrags; die Dauer des Mietverhältnisses; die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten; einen allfälligen Eigenbedarf des Vermieters für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte sowie die Dringlichkeit dieses Bedarfs und die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume.
Die Mieterin hat grundsätzlich stets gute Chancen darauf, dass das Mietverhältnis erstreckt wird, und sei dies auch nur für ein paar Monate. Es gibt aber auch Gründe, aus denen eine Erstreckung ausgeschlossen sein kann. So kann keine Erstreckung erwartet werden, wenn die Mieterin mit Zahlungen an die Vermieterschaft im Rückstand ist oder die Pflichten als Mieterin schwer verletzt werden. Ebenso kann sich der Vermieter vor einer Erstreckung „retten“, wenn er gleichwertigen Ersatz für das Mietobjekt anbietet.
Bei Wohnräumen kann die Mieterin eine Erstreckung von maximal vier Jahren verlangen, bei Geschäftsräumen sind es sogar sechs Jahre. Im Rahmen dieser Höchstdauer können eine oder zwei Erstreckungen gewährt werden. Wenn die Mieterin aber bei der Schlichtungsbehörde um eine zweite Erstreckung ersucht, hat die Mieterin auch darzulegen, dass sie in der Zwischenzeit alles Zumutbare unternommen hat, um die Härtesituation abzuwenden, d.h. insbesondere dass sie sich bemüht hat, eine andere Wohnung zu finden.
Dies hat zur Folge, dass die Mieterin sich nach einer Erstreckung im Normalfall nicht einfach zurücklehnen kann. Sch muss sich also trotzdem auf die Suche nach einer neuen Wohnung machen, was zumindest in der Stadt Zürich kein Vergnügen ist.