AKTUELLES
von Rechtsanwalt Thomas Wehrli
Achtung bei der Einberufung der Generalversammlung einer AG
Das Bundesgericht entschied bereits in BGE 148 III 69, dass die Amtszeit eines Verwaltungsrats mit Ablauf des sechsten Monats nach Schluss des betreffenden Geschäftsjahres endet, wenn keine Generalversammlung nach Art. 699 Abs. 2 OR durchgeführt oder die Wahl des Verwaltungsrates nicht traktandiert wurde.
Insbesondere gibt es keine stillschweigende Verlängerung. Ist der Verwaltungsrat nach Ablauf seiner Amtszeit tätig, handelt er als faktisches Organ.
Nun hatte sich das Bundesgericht in einem neuen Urteil (BGer 4A_387/2023 vom 2. Mai 2024) mit der Gültigkeit der Durchführung einer Generalversammlung zu befassen, welche von einer Verwaltungsrätin nach Ablauf ihrer Amtszeit einberufen wurde. Das Bundesgericht hielt fest, dass die Figur des faktischen Organs als Haftungstatbestand diene, und nicht tatsächliche Organqualität begründe.
Faktische Organe haben keine Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft, in der sie sich Organfunktionen anmassen. Die Verwaltungsrätin als faktisches Organ hätte daher lediglich auf das Stattfinden einer Universalversammlung (Anwesenheit aller Aktionäre) hinwirken können. Sie konnte jedoch keine Generalversammlung rechtsgenügliche einberufen, was aber als Grundvoraussetzung für das Vorliegen einer Generalversammlung im Rechtssinne gilt.
Da folglich nicht rechtsgenüglich zur Generalversammlung eingeladen wurde, waren die darin gefällten Beschlüsse nichtig. Dies bedeutet, dass ein Verwaltungsrat nach Ablauf seiner Amtszeit keine Generalversammlung einberufen kann, die gültig über seine Wiederwahl beschliesst.
Anders gehandhabt wird dies für die Amtszeit einer Revisionsstelle: Die Amtszeit der Revisionsstelle dauert bis zur nächsten Generalversammlung weiter, denn ihre Amtszeit endet gemäss dem klaren Gesetzestext „mit der Abnahme der letzten Jahresrechnung“.