RECHTLICHES
von Rechtsanwalt Patrick Burkhard
(Vermeintlich) strafloser "Beschleunigungswettbewerb" auf Schweizer Strassen (BGer 6B_92/2022 vom 5. Juni 2024)
Wer kennt die Youtube-Videos nicht, auf denen zwei schnelle Autos nebeneinander vor einem Kameramann davonrasen, wobei dieser mit seinem Handy (meist ebenfalls am Steuer) die Scene einfängt? Das Bundesgericht nennt diese Art des Rennens „Beschleunigungswettbewerb“, umgangssprachlich wohl besser bekannt als „Drag Race“. Es geht darum, wer auf einer meist kurzen, geraden Strasse schneller Land gewinnt.
Dies wurde einer Gruppe von drei Personen (beinahe) zum Verhängnis. So fand dieses im Kanton Zürich aufgenommene Video auf unbekannte Weise ihren Weg zur Staatsanwaltschaft. In ihrer ersten Einvernahme, als einer der vermeintlichen Rennfahrer und der Kameramann befragt wurden, gewährte die Staatsanwaltschaft dem zweiten Rennfahrer und dessen Anwalt kein Teilnahmerecht. Das bedeutet, er konnte sich nicht gegen die Aussagen der anderen beiden Mitbeschuldigten wehren. Diese belasteten ihn jedoch, indem sie sagten, die Videoaufnahme wurde mit Einwilligung aller Beteiligten erstellt.
An keiner der später unter Gewährung der Teilnahmerechte ergangenen Befragungen, kam jedoch erneut zur Sprache, ob der übergangene Rennfahrer mit der Aufnahme einverstanden war. Das Bundesgericht entschied, nach Bemängelung der Einhaltung der Teilnahmerechte durch den übergangenen Rennfahrer in der ersten Einvernahme, dass diese nicht verwertbar sei. So konnte das Einverständnis dieses Rennfahrers zur Videoaufnahme nicht erstellt werden, die Aufnahme war damit unrechtmässig und konnte nicht vor Gericht verwendet werden. Das Video war jedoch der einzige Beweis dafür, dass dieses Rennen stattgefunden hatte.
Das Bundesgericht wies den Entscheid zwar zur Neubeurteilung an das Obergericht zurück, es ergeht jedoch aus den Erwägungen, dass das Einverständnis allein auf die erste nicht verwertbare Einvernahme gestützt wurde und ein Freispruch ergehen müsste.
Die Schlussfolgerung hieraus ist, dass die Staatsanwaltschaft bei jeder Einvernahme bzw. an die Polizei delegierte Einvernahme die Teilnahmerechte zwingend einhalten muss, wenn sie nicht riskieren will, diese erneut vollständig wiederholen zu müssen oder die Unverwertbarkeit zu riskieren.