KURIOSES
von Rechtsanwalt Patrick Burkhard
Voller Einsatz für die Klienten?
Anwälte verteidigen die Anliegen ihrer Mandanten. Dabei ist es notwendig, manchmal auch gegenüber der Gegenpartei oder den Behörden deutliche Worte zu verwenden. Doch wie viel ist zu viel? Das richtige Mass kennt zum Glück das Bundesgericht, wie nachfolgender Fall zeigt (Urteil 2C_83/2023 vom 26. März 2024).
Anwalt A. schrieb in einem Ausstandsgesuch wegen Befangenheit gegen den vorsitzenden Richter die nachfolgende Passage:
„Das Gericht, insbesondere Sie als Vorsitzender, legen eine voreingenommene, bösartige und feindselige, ja geradezu höhnische Haltung gegenüber meinem Mandanten […] an den Tag. Meinem Mandanten soll augenscheinlich jede Möglichkeit genommen werden, sich wirksam gegen die gegen ihn erhobenen Mordvorwürfe zu verteidigen. Der Prozess soll unter Ihrer Leitung zur Farce verkommen. Sodann schliesse ich mich der gestrigen Eingabe von Kollege C. betreffend Befangenheit vorbehaltlos an.“
Im erwähnten Schreiben des Anwaltskollegen C. vom Vortag, welchem sich der vorerwähnte Anwalt anschloss, liess sich folgende Passage finden:
„Ihr Vorgehen mag typisch für Sie sein und Ihre Denkweise, für die Schludrigkeit eines Verhandlungsstils im kurzen Prozess. Es handelt sich, gerade bei dieser Szene im Gerichtssaal, um den Prototyp eines kurzen, sagen wir für einmal, schmutzigen Prozesses. Vielleicht überlegen Sie sich bei Gelegenheit, ob Sie tatsächlich geeignet sind, Strafprozesse zu führen. Wir brauchen Richter, keine Fertigmacher, die sich an einem kranken, halb invaliden, hör-, sicht- und gehbehinderten, in mentaler Hinsicht stark beeinträchtigen Rentner aus dem Kosovo und an einer ohnehin schon völlig verzweifelten Ehefrau mit drei Kindern gütlich tut.“
War dies zulässig? Die Aufsichtskommission sagte „nein“ und büsste Anwalt A. wegen mehrfacher Verletzung der Berufsregeln im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA mit einer Busse von Fr. 5’000. Dagegen wehrte sich A. bis vor Bundesgericht.
Das Bundesgericht hielt fest, dass es als Berufspflicht den Anwältinnen und Anwälten in erster Linie obliege, die Interessen ihrer Klientschaft bestmöglich zu vertreten. Sie dürfen energisch auftreten und sich den Umständen entsprechend scharf ausdrücken. Gleichwohl sind nicht sämtliche Mittel durch die Ausübung der anwaltlichen Berufspflicht gerechtfertigt und es sind Aussagen zu unterlassen, welche deplatziert und herabsetzend, unnötig polemisch und verunglimpfend sind und damit klar über das erlaubte Mass an harter, jedoch sachlicher Kritik hinausgehen. Mit anwaltlichen Berufsregeln ist nach Bundesgericht zum Beispiel vereinbar, gegenüber einem Regierungsstatthalter den Verdacht einer psychischen Krankheit („Paranoia“) zu äussern, dem Gericht vorzuwerfen, es „demontiere“ den Klienten und führe ein „kontaminiertes Verfahren“, der Gegenseite vorzuwerfen, sie verbreite „dümmliche Unterstellungen“ oder die Staatsanwältin einmal als „rechtsungelehrt“ zu bezeichnen. Zu weit geht es aber, die Staatsanwältin mehrfach als „rechtsungelehrt“ zu schimpfen oder der Strafverfolgungsbehörde vorzuwerfen, sich wie „cow-boys“ zu verhalten und den juristischen „Puck“ nicht zu erkennen.
In Bezug auf den vorliegenden Fall hielt das Bundesgericht fest, dass im Rahmen eines Ausstandsgesuch, notabene wegen Feindschaft, die Bezeichnungen als „voreingenommen“, „bösartig“, „feindselig“ und „höhnisch“ je einzeln zulässig seien, das Gesamtbild der Äusserungen aber deutlich über die Grenzen des Notwendigen hinaus gehen würden und deshalb mit den Berufspflichten des Anwalts nicht vereinbar seien. Es wäre dem Anwalt ohne Nachteil für das Ausstandsgesuch möglich gewesen, weniger angriffige Wörter zu verwenden oder sich auf einen oder wenige der von ihm gewählten Begriffe zu beschränken. In Bezug auf die Äusserung, sich „vorbehaltlos“ der Eingabe des Kollegen anzuschliessen, hielt das Gericht fest, dass von Anwälten erwartet werden dürfe, Eingaben, denen sie sich „vorbehaltlos“ anschliessen, vorher zu lesen. Die Äusserungen des Anwalts C. seien keine sach- und problembezogene Kritik, sondern persönliche Angriffe ohne erkennbaren Nutzen für den Klienten. Anwalt A. habe sich der Eingabe des „vorbehaltlos“ angeschlossen und damit zum Ausdruck gebracht, diese vollumfänglich zu unterstützen. Durch dieses vorbehaltlose Anschliessen habe er gegen die Berufspflicht nach Art. 12 lit. a BGFA verstossen.
Als Anwälte setzen wir uns im Sinne unseres Mottos „Moving the World for you“ auch ohne Polemik, aber im Rahmen des Notwendigen, für unsere Mandanten ein.