RECHTLICHES

von Rechtsanwalt Miro Vuille


Match-Fixing im Tennis – national freigesprochen und international gesperrt


Auf Grundlage desselben Sachverhaltes wird ein Tennisspieler in einem nationalen Sportdisziplinarverfahren vom Vorwurf des Match-Fixings freigesprochen, in einem zweiten, internationalen Sportdisziplinarverfahren wegen Match-Fixing jedoch langjährig gesperrt. Ist dies möglich? Das Bundesgericht hat sich eingehend damit auseinandergesetzt (vgl. BGer 4a_486/2022, Urteil vom 26. April 2023).

Gegen einen professionellen Tennisspieler wurde aufgrund von Wettspielmanipulationen vom nationalen Tennisverband ein Disziplinarverfahren eröffnet. Vor zweiter Instanz wurde der Tennisspieler vollumfänglich freigesprochen.

Nebst dem nationalen Disziplinarverfahren hat allerdings auch die internationale Tennis Integrity Unit (UIT) ein Verfahren gegen den Tennisspieler eingeleitet und sodann eine zehnjährige Sperre sowie eine Busse von USD 100’000.00 ausgesprochen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies der internationale Sportgerichtshof (CAS) weitestgehend ab. Allerdings wurde die Sperre durch den CAS dahingehend eingeschränkt, als dass dem Spieler die Teilnahme von Veranstaltungen des nationalen Tennisverbandes gestattet sei.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht ging es im Kern um die Frage, ob der CAS den Grundsatz ne bis in idem, wonach über eine Rechtssache nur einmal rechtskräftig entschieden werden könne, verletzt hat. Der Tennisspieler sah den Grundsatz ne bis in idem verletzt, weil gegen ihn auf Grundlage desselben Sachverhaltes zwei verschiedene Sportdisziplinarverfahren eingeleitet worden seien, einmal auf nationaler Ebene und einmal auf internationaler Ebene. In beiden Verfahren seien zudem Bestimmungen zur Anwendung gekommen, welche dasselbe Rechtsgut, also den reibungslosen Ablauf von Tenniswettbewerben ohne Manipulationen, schützten.

Das Bundesgericht hielt zunächst fest, dass Entscheidungen von (Sport-)Verbandsgerichten keine Rechtskraftwirkung zukämen, da diese keine eigentlichen Gerichts- resp. Schiedsentscheide darstellen würden. Ausserdem verneinte das Bundesgericht eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem aufgrund der unterschiedlichen geografischen Reichweite der möglichen Sanktionen. Der nationale Tennisverband könne Sanktionen lediglich begrenzt auf das nationale Territorium aussprechen. Die UIT hingegen könne Sanktionen auf internationaler Ebene aussprechen. Der Entscheid des nationalen Tennisverbandes sei indes auch nicht ignoriert worden, da der CAS dem Tennisspieler erlaubte, weiterhin auf nationaler Ebene zu spielen. Schliesslich verneinte das Bundesgericht auch eine Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem, da die beiden Verfahren als verschiedene Aspekte eines einzigen Systems zu betrachten seien. Ansonsten würde gemäss Bundesgericht Gefahr laufen, dass Instanzen von internationalen Sportverbänden blockiert würden, wenn vorher nationale Instanzen einen Sportler freisprächen (vgl. E. 6.4).

Unter Umständen haben Sportler trotz erfolgter Freisprüche in nationalen Sportdisziplinarverfahren noch mit internationalen Sportdisziplinarverfahren zu rechnen, ohne Gewissheit über deren Verfahrensausgang.