AKTUELLES
von Rechtsanwalt Dr. Rafael Brägger
Risiken im elektronischen Geschäftsverkehr mit Behörden
Spätestens seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 hat der elektronische Geschäftsverkehr flächendeckend Einzug gehalten. Eine Ausnahme bildet der öffentliche Sektor: Mit der Einführung von E-Voting für Abstimmungen und Wahlen ist in nächster Zeit nicht zu rechnen, die elektronische ID wurde vom Stimmvolk verworfen, und die Gerichte stellen ihre Entscheide nach wie vor nur mit Briefpost zu.
Dass der E-Verkehr mit Behörden noch in den Kinderschuhen steckt, musste kürzlich eine Gesellschaft, die im Kanton Bern um Kurzarbeitsentschädigung ersucht hatte, erfahren. Das Gesetz (Art. 38 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes) sieht für die Geltendmachung der Entschädigung eine Verwirkungsfrist von 3 Monaten vor. Am 24. Juni 2021 stellte sie über die Onlineplattform www.arbeit.swiss elektronisch einen Antrag auf Kurzarbeit für 1. bis 31. März 2021 (also innert der Frist von 3 Monaten). Nach dem Upload des Antrags erhielt sie von der Plattform aber kein Bestätigungsmail. Da die Firma schon in der Vergangenheit erfolgreich Dokumente auf die Plattform hochgeladen hatte, ohne ein Bestätigungsmail zu erhalten, die Verarbeitung des Antrags dann aber trotzdem klappte, dachte sich die den Upload vornehmende Mitarbeiterin nichts weiter dabei.
Im Juli 2021 erhielt die Firma die Mitteilung, der Antrag sei zwar ausgefüllt, aber nicht zur Prüfung an die zuständige Arbeitslosenkasse weitergeleitet worden. Mit anderen Worten: Die Firma hatte den Antrag auf Kurzarbeitsentschädigung zwar innert Frist auf der Plattform erfasst bzw. auf den Server hochgeladen, der Antrag war jedoch nicht in den Herrschaftsbereich der Arbeitslosenkasse gelangt, so dass kein Bestätigungsmail ausgelöst wurde. Die Arbeitslosenkasse verneinte darauf einen Anspruch der Firma, weil der Antrag nicht bis Ende Juni 2021 gestellt worden war.
Sämtliche mit dem Fall befassten Instanzen stellten sich anschliessend hinter die Arbeitslosenkasse. Namentlich das Bundesgericht hielt in letzter Instanz (Urteil 8C_309/2022 vom 21. September 2022) fest, der Antragstellerin sei bekannt gewesen, dass eine erfolgreiche elektronische Zustellung über die Plattform mit einer E-Mail quittiert werde. Sie hätte folglich reagieren müssen, als sie kein Bestätigungsmail erhielt. Allgemein sei, so das Bundesgericht weiter, der Absender einer E-Mail gehalten, vom Empfänger eine Empfangsbestätigung zu verlangen, und beim Ausbleiben einer solchen zu reagieren, indem er die Sendung in einem Briefumschlag der Post übergebe oder erneut eine E-Mail zuzustellen versuche. Es obliege dem Absender, Vorsichtsmassnahmen zu treffen, um nicht Gefahr zu laufen, dass die elektronische Sendung nicht oder nicht rechtzeitig innert Frist in den Herrschaftsbereich der Behörde gelangt.
Für die betroffene Firma war der Fall nicht nur ärgerlich, sondern hatte auch erhebliche finanzielle Konsequenzen, entgingen ihr dadurch doch Kurzarbeitsentschädigungen von CHF 27’781.55. Das Beispiel zeigt, dass im elektronischen Verkehr mit Behörden (leider) immer noch erhöhte Vorsicht geboten ist. Unser Rat deshalb: Lieber einmal mehr nachfragen als zu wenig.