RECHTLICHES

von Rechtsanwalt Thomas Wehrli


Ferienlohn inbegriffen trotz Vollzeitbeschäftigung


Grundsätzlich gilt nach Art. 329d Abs. 2 OR, dass Ferien zwingend in natura zu beziehen sind und nicht durch eine Geldleistung abgegolten werden dürfen. Ein Ferienbezug in natura ist jedoch nicht immer möglich oder zweckmässig, beispielsweise bei unregelmässigen Einsätzen, welche im Stundenlohn abgegolten werden. Daher setzt sich das Bundesgericht immer wieder mit der Frage auseinander, unter welchen Umständen es zulässig sein soll, dass die Abgeltung der Ferien im Lohn inbegriffen ist („Ferienlohn inbegriffen“). In einem Bundesgerichtsurteil aus dem Jahre 2018 wurde konkretisiert, dass dies zulässig ist, wenn (1) eine unregelmässige Tätigkeit vorliegt, (2) der Ferienlohn im Arbeitsvertrag separat in CHF oder in % ausgewiesen wird und (3) auch in jeder einzelnen Lohnabrechnung einzeln in CHF oder in % aufgeführt wird (BGer 4A_561/2017 vom 19. März 2018).

Rund zwei Jahre später betonte das Bundesgericht im Falle des Fahrers eines Entsorgungsfahrzeuges für Siedlungsabfälle, dass grundsätzlich eine solche unregelmässige Arbeitstätigkeit auch bei einer Vollzeitbeschäftigung möglich ist. Um dies festzustellen, wies das Bundesgericht den Entscheid des Entsorgungsfahrers zurück an die Vorinstanz, in diesem Fall das Kantonsgericht Freiburg (BGer 4A_619/2019 vom 15. April 2020). Die Vorinstanz beantwortete die Frage aber nicht, sondern entschied gestützt auf anderen Kriterien, dass der Ferienlohnanteil (3) in den einzelnen Lohnabrechnungen detailliert ausgewiesen worden und es (2) keinen schriftlichen Arbeitsvertrag gegeben habe sowie die Tatsache, dass die Ferien auch tatsächlich bezogen wurden. Dieser Entscheid wurde dann wieder vor Bundesgericht gezogen.

Das Bundesgericht war mit der verbesserten Argumentation des Kantonsgerichts immer noch nicht einverstanden (BGer 4A_31/2021 vom 30. März 2022). Das Kantonsgericht liess denn auch das Kriterium der unregelmässigen Tätigkeit völlig ausser Acht. Es ist aber genau das Kriterium der unregelmässigen Tätigkeit, welches die Abweichung der Regel von Art. 329d Abs. 2 OR rechtfertigt, weil es in diesen Fällen besonders schwierig sei für die Arbeitgeberin den Ferienanspruch fortlaufend zu berechnen. Zudem sei es sehr widersprüchlich von der Arbeitgeberin zu verlangen, den Ferienanteil jeweils zurückzuhalten bis der Arbeitnehmer tatsächlich Ferien beziehe, aber gleichzeitig dem Arbeitnehmer vorzuwerfen, dass er seinen Ferienanteil nicht selbst eingeteilt habe.

In Bezug auf die Frage der unregelmässigen Tätigkeit entschied das Bundesgericht zudem gestützt auf die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen, dass in 35 von 56 analysierten Lohnabrechnungen eine Lohndifferenz zum Vormonat von 10% bis 25% bestanden hatte. Diese Lohndifferenz lässt sich durch vorgebrachte Sondereinsätze während den Festtagen (Weihnachten bis Mitte Januar) sowie einen Ferienbezug im Sommer nicht erklären. Damit war in diesem Fall von einer unregelmässigen Tätigkeit auszugehen und es bestand kein (zusätzlicher) Anspruch auf einen Ferienlohn.