RECHTLICHES

von Rechtsanwalt Dr. Rafael Brägger


Dopingfall Valieva in Peking – ein Fehlurteil, das keines ist


Es war DER Aufreger abseits der Sportanlagen an den soeben zu Ende gegangenen Olympischen Winterspielen in Peking: Die russische Eiskunstläuferin Kamila Valieva, 15 Jahre jung und Goldmedaillengewinnerin mit dem Team am 7. Februar 2022, war vor den Spielen (am 25. Dezember 2021) positiv auf die verbotene Substanz Trimetazidin getestet worden. Gemäss Antidopingregularien zieht dies grundsätzlich eine automatische provisorische Sperre nach sich. Die russische Antidoping-Disziplinarkommission hob diese Sperre am 9. Februar 2022 jedoch auf, womit Valieva weiterhin olympische Wettkämpfe bestreiten durfte. Dagegen wehrten sich das Internationale Olympische Komitee, die Weltantidopingagentur und der Welteislaufverband und erhoben Beschwerde gegen den Entscheid der russischen Kommission beim Sportschiedsgericht „Court of Arbitration for Sport“ (CAS).

Das CAS wies diese Beschwerden am 14. Februar 2022 ab, womit Valieva auch am olympischen Einzelwettkampf (15. Februar 2022) teilnehmen durfte. Ein Aufschrei ging daraufhin durch Öffentlichkeit und Medien: Von Wettbewerbsverzerrung war die Rede, der saubere Sport wurde in Gefahr gesehen, Erinnerungen an das russische Staatsdoping an den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi wurden wach. Tatsächlich ist der Entscheid des CAS aber völlig korrekt: Die CAS-Richter gewichteten nämlich das Interesse von Valieva, an den für eine Spitzensportlerin extrem wichtigen Wettkämpfen der Olympischen Spiele teilzunehmen, höher als die Aufrechterhaltung der provisorischen Sperre aufgrund des positiven Dopingbefunds (wobei, und auch das sprach für Valieva, die B-Probe bislang noch nicht einmal analysiert worden ist). Über ihre Schuld oder Unschuld ist damit noch nichts gesagt und darüber wird es später zu einem definitiven Urteil kommen (zurzeit scheint eine unbeabsichtigte Kontamination Valievas mit der verbotenen Substanz die wahrscheinlichste Erklärung zu sein, wurden in ihrer Urinprobe doch nur winzige Spuren der Substanz gefunden und nimmt offenbar ihr Grossvater, mit dem sie regelmässig engen Kontakt hat, dieses Medikament zur Behandlung einer Herzkrankheit ein).

Zwar mag es unbefriedigend sein, dass in einer solchen Konstellation das endgültige Wettkampfergebnis möglicherweise erst Wochen oder gar Monate nach dem Wettkampf feststeht; das ist in einem Fall wie dem vorliegenden jedoch alternativlos, soll der Rechtsschutz für eines Dopingvergehens bezichtigte Athletinnen und Athleten nicht illusorisch werden. Im Fall Valieva gewichtete das CAS zudem – zu Recht – ihr jugendliches Alter stark, wodurch sie ein sog. „Protected Person“ unter dem Weltantidopingcode ist. Für diese sieht der Code provisorische Sperren gar nicht explizit vor. Zudem gelten für solche Personen ein anderes Beweismass und generell tiefere Sanktionen als für erwachsene Athleten. Vor diesem Hintergrund hat das CAS einen ebenso mutigen wie korrekten Entscheid gefällt und gegen Kamila Valieva keine provisorische Sperre ausgesprochen.

Für Valieva nahm der Fall ein enttäuschendes Ende: Sie stürzte im Final des Einzelwettkampfs und verpasste so die als praktisch sicher angesehene Medaille als Vierte knapp. Damit war die ganze Aufregung wegen einer befürchteten nachträglichen Medaillenvergabe letztlich umsonst.