RECHTLICHES

von MLaw Yvonne van der Stroom, LL.M.


Austritt eines Gesellschafters aus einer GmbH mit Anteilen von über 35% des Stammkapitals


Das Bundesgericht klärt in seinem Urteil vom 19. Juli 2021, dass der Austritt eines Gesellschafters aus einer GmbH nicht zu bewilligen sei, wenn die Gesellschaft aufgrund des Ausscheidens eigene Stammanteile im Nennwert von über 35% des Stammkapitals hält.

Hintergrund des Urteils war die erfolglose Austrittsklage eines Gesellschafters, der an einer GmbH eine Beteiligung von 45% im Wert von CHF 20’000 hielt. Das Bundesgericht hatte die Frage zu klären, wie sich das Austrittsrecht eines Gesellschafters mit einer Beteiligung von über 35% am Stammkapital zu den Regeln über den Erwerb eigener Stammanteile der Gesellschaft verhalte, insbesondere in Hinblick auf die Erwerbsobergrenze von 35%. Das Bundesgericht erachtete diese Frage als eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, weshalb es auf die Beschwerde eintrat, obwohl die Streitwertgrenze nicht erreicht war.

Das Bundesgericht wies darauf hin, dass das revidierte Recht zur GmbH nicht ausdrücklich regle, wie mit den Stammanteilen eines austretenden Gesellschafters zu verfahren sei. Gesetzlich darf eine Gesellschaft nur 35% des eigenen Stammkapitals halten. Die Beschränkung des Erwerbs eigener Stammanteile durch die Gesellschaft diene dem Gläubigerschutz und verhindere die Verminderung von Haftungssubstrat der Gesellschaft.

Ziel dieser festgesetzten Grenze war es, einen Gesellschafterwechsel möglichst flexibel zu halten und damit auch den Austritt von Gesellschaftern mit hohen Beteiligungsquoten zu ermöglichen, sowie umgekehrt dem Anliegen, den Kapital- und Gläubigerschutz zu gewährleisten.

Mit dem Austritt eines Gesellschafters mit Beteiligung am Stammkapital entsteht ein obligatorischer Abfindungsanspruch des austretenden Gesellschafters gegen die Gesellschaft, weshalb der mit dem Austritt verbundene Anfall der Stammanteile bei einer GmbH als Erwerb eigener Stammanteile zu qualifizieren sei. Das Bundesgericht hielt fest, dass sich der Gesetzgeber über die Schwierigkeit des Plafonds von 35% bewusst gewesen sei und sich bewusst dafür entschieden habe, dass ein Halten eigener Stammanteile durch die Gesellschaft über die 35% hinaus nicht toleriert werde. Änderungen im Gesellschafterbestand könnten somit nicht bewilligt werden, wenn sie dazu führen würden, dass die Gesellschaft eigene Stammanteile im Nennwert von über 35% des Stammkapitals halte.

In diesem Zusammenhang führte das Bundesgericht auch aus, dass in einem solchen Fall auch der Ausschluss eines Gesellschafters mit einer Beteiligung von mehr als 35% Stammkapital nicht mehr möglich sei, da auch in einem solchen Fall die festgesetzte Grenze erreicht würde. Ein Gesellschafter mit über 35% Stammanteil würde gemäss Bundesgericht aber nicht jeglicher Rechte beraubt werden, sondern ihm bliebe noch immer die Möglichkeit, auf Auflösung der Gesellschaft aus wichtigem Grund zu klagen. Bei der Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes sei zu berücksichtigen, dass ein Austritt wegen der Erwerbsobergrenze ausgeschlossen sei.