RECHTLICHES

von MLaw Yvonne van der Stroom, LL.M.


Die Berechtigung zum Stellen eines Strafantrags bei juristischen Personen


Das Bundesgericht hatte in seinem Urteil 6B_295/2020 zu entscheiden, ob auch ein nicht zeichnungsberechtigter Angestellter stellvertretend für eine juristische Person einen Strafantrag stellen kann.

Das Recht, Strafantrag zu stellen, ist grundsätzlich höchstpersönlicher Natur und unübertragbar. Daraus folgt aber nicht, dass das Antragsrecht nicht auch von einem Vertreter ausgeübt werden kann (sog. Antragsbefugnis). Hierfür genügt die Erteilung einer generellen Vollmacht. Dem Vertreter kann auch die Entscheidung übertragen werden, ob er einen Strafantrag stellen will (sog. Vertretung im Willen).

Eine Übertragung des Rechts, Strafantrag zu stellen, ist nur dort möglich, wo die Verletzung materieller Rechtsgüter in Frage steht, die nicht direkt von der Person des Berechtigten, sondern vom Inhalt einer vertraglichen Beziehung abhängen, wie dies beispielsweise beim Hausfriedensbruch der Fall ist. Die Ermächtigung des Vertreters zur Antragsstellung darf folglich dann angenommen werden, wenn das betreffende Delikt materielle Rechtsgüter verletzt, mit deren Wahrung oder Verwaltung der Vertreter allgemein betraut ist.

Ist eine juristische Person verletzt, so richtet sich die Zuständigkeit, einen Strafantrag zu stellen, nach deren Organisation. Befugt ist das Organ, das zur Wahrung der durch das Delikt verletzten Interessen berufen ist. Bei einer Aktiengesellschaft ist dies grundsätzlich der Verwaltungsrat, sowie Personen, die ausdrücklich oder stillschweigend damit beauftragt worden sind, die Interessen der juristischen Person zu wahren und die betreffenden Vermögenswerte zu verwalten. Massgebend ist, dass der Strafantrag nicht dem Willen der Gesellschaftsorgane widerspricht und von diesen genehmigt werden kann.

Es ist folglich zwischen der eigenen Strafantragsberechtigung einer Person und der Befugnis, als Vertreter für die strafantragsberechtigte Person einen Strafantrag zu stellen, zu unterscheiden. Als Beispiel sind Liegenschaftsverwaltungen zu nennen. Liegenschaftsverwaltungen sind im eigenen Namen nicht strafantragsberechtigt; das Stellen eines Strafantrags in Vertretung der Eigentümerschaft ist hingegen aber zulässig.