AKTUELLES

von Rechtsanwalt Thomas Wehrli


Gute Neuigkeiten für Einbrecher


Die Staatsanwaltschaft führt gegen den Beschwerdeführer A. eine Strafuntersuchung wegen Diebstahls. Er wurde am 27. Juni 2020 in Untersuchungshaft versetzt, wogegen er Beschwerde erhob. Das Obergericht des Kantons Zürich entliess A. am 30. Juli 2020 in Freiheit. Am 27. September 2020 wurde A. erneut verhaftet und erneut in Untersuchungshaft versetzt. Nachdem das Obergericht die erhobene Beschwerde abwies, gelangte A. ans Bundesgericht (Urteil 1B_637/2020).

Die Untersuchungshaft ist zulässig, wenn die beschuldigte Person eines Delikts dringend verdächtigt ist und ernsthaft zu befürchten ist, dass die beschuldigte Person die Sicherheit anderer erheblich gefährden, nachdem sie bereits früher gleichartige Straftaten verübt hat. Für die erhebliche Sicherheitsgefährdung spricht es, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die beschuldigte Person bei künftigen Vermögensdelikten Gewalt anwenden könnte. Es braucht somit eine Gefahr der Begehung eines schweren Delikts.

Das Obergericht argumentierte bei der Aufrechthaltung der Untersuchungshaft, dass der methadonabhängige A. nicht „nur“ Diebstähle begangen habe, sondern durch den Aufbruch eines Fahrzeugs und das Einschleichen in eine bewohnte Privatwohnung mit Diebstahlabsichten eine neue Eskalationsstufe erreicht habe. Es sei notorisch, dass Einbrüche in Privatwohnungen zu nächtlicher Stunde das Sicherheitsgefühl der Geschädigten empfindlich auf lange Zeit beeinträchtigen könnten, welche die Betroffenen ähnlich schwer treffen könnten wie ein Gewaltdelikt. A sei zudem eine ungünstige Rückfallprognose zu stellen, womit die Voraussetzungen für die Annahme von Wiederholungsgefahr erfüllt seien.

Das Bundesgericht folgte dieser Meinung nicht. Obwohl der methadonabhängige arbeitslose A in den vergangenen Jahren immer wieder gleichgelagerte Delikte begangen hat und zweifellos eine ungünstige Rückfallprognose zu stellen war, genügte dies zur Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft nicht. A hatte bei der Begehung der mutmasslichen Straftaten nie eine Waffe mit sich geführt, nie Gewalt angewendet und jeweils „nur“ einige hundert Franken gestohlen. Da das Obergericht im Urteil nicht begründete, inwiefern die Störung des Sicherheitsgefühls die Geschädigten gleich treffe wie ein Gewaltdelikt und vorliegend auch keine konkreten Anhaltspunkte für eine zukünftige Gewaltanwendung vorlägen, bestand gemäss Bundesgericht keine Wiederholungsgefahr und der Beschuldigte A. musste sofort aus der Untersuchungshaft entlassen werden.

Während im Jahr 2014 eine Serien von Einbruch- bzw. Einschleichdiebstählen noch als erheblich und „sicherheitsrelevant“ angesehen und die Anordnung von Untersuchungshaft bejaht wurde, hat sich diese Rechtsprechung nun offensichtlich zu Gunsten von Einbrechern gewandelt.