RECHTLICHES

von Rechtsanwalt Dr. Rafael Brägger


Staatliche Entschädigung für Kosten für private Sachverhaltsermittlungen


Die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) sieht vor, dass eine beschuldigte Person, die freigesprochen oder deren Verfahren eingestellt wird, Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung durch den Staat hat (Art. 429 StPO). Dazu gehören insbesondere das Honorar des mit der Verteidigung beauftragten Anwalts und eigene Einbussen der beschuldigten Person (z.B. Lohnausfall). Strittig ist, ob gestützt auf diese Bestimmung auch Aufwendungen für private Sachverhaltsermittlungen durch die beschuldigte Person zurückverlangt werden können. Zu denken ist etwa an selbst eingeholte Expertengutachten oder das Beauftragen eines Privatdetektivs.

Das Kantonsgericht Luzern hatte sich unlängst in einem Fall mit dieser Frage zu befassen und entschied, dass ein Entschädigungsanspruch dann besteht, wenn solche privaten Ermittlungen für die Verteidigung geboten waren. Zwar oblägen der Beweis der Strafbarkeit und damit auch die Sachverhaltsfeststellung den Strafbehörden. Ausnahmsweise könne sich die private Sachverhaltsermittlung aber aufdrängen, wenn die Partei zutreffenderweise zur Überzeugung gelange, die Staatsanwaltschaft berücksichtige ihre berechtigten Beweisanträge nicht. Eine Entschädigung setzt nach Ansicht des Gerichts aber voraus, dass die Ergebnisse der Privatermittlung den Endentscheid kausal beeinflusst haben. Wäre der Entscheid mit anderen Worten ohne die privaten Ermittlungshandlungen gleich herausgekommen, so besteht seitens der beschuldigten Person kein Anspruch auf Erstattung der betreffenden Kosten.

Dem vom Kantonsgericht beurteilten Fall lag ein Verkehrsunfall zugrunde, in dem der Lenker vom Vorwurf des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs infolge mangelnder Aufmerksamkeit (Art. 31 des Strassenverkehrsgesetzes) vom Bundesgericht letztinstanzlich freigesprochen worden war. Der Lenker hatte 6,5 Meter vor einem Fussgängerstreifen einen Fussgänger, der unvermittelt die Fahrbahn betreten hatte, angefahren und verletzt. Das Bundesgericht sah aufgrund der Umstände – Dunkelheit, schlechte Witterungs- und Sichtverhältnisse, erwachsener, dunkel gekleideter Fussgänger, der Musik hörte und vor dem Betreten der Fahrbahn nicht nach links geschaut hatte – eine Sorgfaltspflichtverletzung des Lenkers nicht als erwiesen an. Der Lenker machte nach seinem Freispruch unter anderem CHF 4’179.60 für Kosten für zwei von ihm in Auftrag gegebene private verkehrstechnische Kurzgutachten (eines bei der A AG, eines bei der B AG im Sinne eines Obergutachtens zwischen demjenigen der A AG und dem behördlich angeordneten Gutachten) geltend. Das Kantonsgericht Luzern betrachtete die Voraussetzung des kausalen Einflusses der beiden Privatgutachten auf den Endentscheid als nicht erfüllt. Der Lenker habe das erste Gutachten kurz nach Verfahrenseröffnung eingeholt und damit zu einem Zeitpunkt, als noch gar nicht feststand, ob seine Beweisanträge gutgeheissen würden. Beide Gutachten würden zudem in den Grundzügen zu den gleichen Ergebnissen gelangen wie das amtlich eingeholte. Das Gericht lehnte daher einen Entschädigungsanspruch für die Privatgutachten ab.