RECHTLICHES

von Rechtsanwältin Flavia Dudler


Vorsorgeunterhalt – Revision des Vorsorgeausgleichs als Benachteiligung für den vorsorgerechtlich schwächeren Ehegatten?


Am 1. Januar 2017 ist nicht nur das neue Unterhaltsrecht, sondern sind auch die revidierten gesetzlichen Bestimmungen zum Vorsorgeausgleich in Kraft getreten. Mit der Vorsorgerevision wurde der Zeitpunkt der Teilung der Vorsorgeguthaben auf den Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens vorverlegt. Sämtliches Vorsorgeguthaben, welches während der Dauer des Scheidungsprozesses geäufnet wird, verbleibt nunmehr ausschliesslich bei demjenigen Ehegatten, der im entsprechenden Arbeitsverhältnis steht. Bis zum 31. Dezember 2016 hingegen wurde der Vorsorgeausgleich per Zeitpunkt des Scheidungsurteils vorgenommen, sodass der vorsorgerechtlich schwächere Ehegatte auch noch Anspruch auf die Hälfte des während des Scheidungsverfahrens angesparte Vorsorgeguthaben hatte.

Mit der Revision des Vorsorgerechts wurden in der Lehre Stimmen laut, die sich für eine Anpassung bzw. eine veränderte Auslegung der gesetzlichen Unterhaltsbestimmungen stark machten. Während nämlich das alte Recht die Teilung des ehelichen Vorsorgeguthabens auf den Scheidungszeitpunkt vorsah und die nach wie vor geltenden gesetzlichen Bestimmungen für den nachehelichen Unterhalt unter Umständen auch einen Vorsorgeunterhalt vorsehen, der Vorsorgeunterhalt unter altem Recht damit nahtlos gesetzlich geregelt war, besteht aufgrund der Vorsorgerevision heute eine Lücke für den Vorsorgeunterhalt während der Dauer des Scheidungsverfahrens. Einige Lehrmeinungen vertraten daher die Ansicht, dass der Vorsorgeunterhalt, der für den nachehelichen Unterhalt gesetzlich grundsätzlich vorgesehen ist, auch bereits während der Dauer des Scheidungsverfahrens greifen soll, um den vorsorgerechtlich schwächeren Ehegatten zu schützen.

Das Bundesgericht hat in seinem zur Publikation vorgesehen jüngsten Entscheid vom 9. April 2019 nunmehr klar festgehalten, dass diese Lücke nicht durch richterliches Eingreifen gefüllt werden kann. Vielmehr handelt es sich dabei um eine (Vorsorge-)Lücke, die vom Gesetzgeber erkannt und zugunsten einer einfachen Lösung bewusst gewollt war, indem die übrigen Unterhaltsbestimmungen nicht angepasst wurden.

Dieser Entscheid ist zu bedauern, bedeutet dies doch für den vorsorgerechtlich schwächeren Ehegatten – und das sind nach wie vor in den meisten Fällen die Frauen – eine Benachteiligung. In solchen Fällen kann nur ein rasches Scheidungsverfahren bei diesem Ehegatten eine (grössere) Vorsorgelücke verhindern, da für die Zeit nach der Scheidung im Rahmen des nachehelichen Unterhalts grundsätzlich wieder ein Vorsorgeunterhalt gefordert werden kann.